Marguerite Humeau
RIDDLES
3. Juni – 30. Juli 2017
Eröffnung: 2. Juni 18:00

Marguerite Humeau (*1986) nimmt in ihrer künstlerischen Arbeit enigmatische Prozesse in den Blick: In Rückbezug auf kosmologische, tektonische, biologische, evolutionäre oder kulturhistorische Entwicklungsgefüge generiert sie Werke, die an wissenschaftlich Erforschtes oder Überliefertes anknüpfen, ihren Gegenstand aber an spezifischen Momenten zwischen Wissen und Spekulation entzünden. Durch Skulptur, Sound, Animation und Video entwickelt sie Formen und Narrative, die in Zusammenarbeit mit Experten der von ihr kontextualisierten Wissensbereiche ein ganz eigenständiges Vokabular zwischen Fakt und Fiktion herausbilden.
Dabei (re)animiert Humeau Vergangenes oder bereits Erforschtes und holt dies in die Zeit der Informationstechnologie: Sie bildet eine Brücke zwischen Zeit und Raum und entwickelt so unter Rückbezug auf die eigene Formensprache nahezu abstrakte Forschungssituationen innerhalb des Ausstellungsraumes. Nicht greifbarem Wissen ordnet die Künstlerin physisch-ästhetische Formen, Körper oder Komponenten wie Sound zu, die zu fantastischen Koordinaten der von Marguerite Humeau beleuchteten Transformationsprozesse werden, und sowohl einen situativen Kosmos im Installationsraum wie auch festen Standpunkt als solchen formulieren.

Mit RIDDLES präsentiert der Schinkel Pavillon die erste institutionelle Einzelausstellung von Marguerite Humeau in Berlin, für welche die Künstlerin ein ganz neues Werk konzipiert hat. Die spezifisch für die transparente Architektur des Oktagons entwickelte Arbeit RIDDLES ist dabei Teil eines größeren, gleichnamigen Werkkomplexes, in dessen Rahmen dessen Humeau eine erste Arbeit in New York City (CLEARING New York/Brüssel and High Line) realisiert hat, und der weitere im Anschluss an den Schinkel Pavillon in Zürich und Versailles folgen werden.

Der Werkzyklus RIDDLES umkreist die Figur und Bedeutung der Sphinx, die als Mischwesen zwischen Mensch und Tier über zwei Welten wacht. Während ihr mythologisch einerseits die Rolle der Beschützerin zukommt, entscheidet sie andererseits – mitunter durch das Stellen eines Rätsels – über Leben und Tod. Die Ambivalenz der Sphinx wird zum Sinnbild in RIDDLES, indem Marguerite Humeau die Doppelbödigkeit zeitgenössischer Überwachung wie an Sicherheitsschleusen und an Grenzen als Abstraktion der Sphinx in den Fokus nimmt. Während sie einerseits mythologisch die Rolle einer Beschützerin einnimmt, entschiedet sie andererseits über Leben und Tod und verschlingt jeden der nicht in der Lage ist ihr Rätsel zu lösen.

Marguerite Humeau stellt mit ihrer Arbeit Riddles die Hypothese auf, dass Sicherheitsprotokolle heute (beispielsweise an Grenzen oder Checkpoints) die direkten biologischen Nachkommen der antiken Figur der Sphinx sind.

Humeau verschreibt ihre Arbeit der Ausgrabung der Sphinx Figur, um sie in unserer zeitgenössischen Ära wiederzubeleben. So besteht die Sphinx im Schinkel Pavillon aus einem komplexen Netzwerk aus gewundenen Metallrohen und Glasaugen, welches – als Überwachungssystem konzipiert – mit Sound Equipment und Glasaugen ausgestattet ist.

Während sich den BesucherInnen RIDDLES zunächst als Installation, ja als Objekt des Betrachtens darstellt, werden die Schauenden – in einer beunruhigenden Kehrtwende – zugleich doch selbst zum Auslöser einer bizarren Performance. Wie die antike griechische Sphinx aktiviert sich die metallene Kreatur in der Anwesenheit von Menschen.

In RIDDLES scheint die Sphinx ausgestattet mit einer mysteriösen Intelligenz, die Gates kommunizieren untereinander durch Radio Signale. Eine scheint den Impuls an die Gruppe weiterzugeben.

In einer bizarren Synphonie aus drehenden Lichtern und metallenem Klicken, ähnlich der Geräusche industrieller Produktion, hört man im Hintergrund Knochen brechen. Sind es die Knochen der menschlichen Seelen, die nicht in der Lage waren das Rätsel der Sphinx zu lösen?

Humeaus Sphinx aktiviert sich durch menschliche Präsens, jedoch hat sie keine andere Funktion als für sich selbst zu performen. Sie scant nicht, sie beschützt nicht, sie überwacht nicht, sie archiviert nicht. Die Sphinx wurde entwickelt um sich selbst zu beschützen.

Text von Christina Irrgang

RIDDLES ist ein Projekt von Marguerite Humeau
Szenografie von Juliette Rambaud
Elektronisches System von Kudu Studio
Sound Design von Nelson Beer
3D Modelling von Le Studio Humain

Courtesy the artist and C L E A R I N G New York / Brussels