Julianknxx & Nathan Eddy
MÄUSEBUNKER
15. August – 15. August 2021
15. August 00:00

Inszeniert von DISAPPEARING BERLIN.

Hindenburgdamm 26, 12203 Berlin

Wie sieht die Zukunft des „Mäusebunkers“ – in den 1970er Jahren als Tierzucht- und Forschungslabor erbaut, seit Jahren ungenutzt und heute vom Abriss bedroht – aus? Wer und was kann ihn gestalten und nutzen? Wer oder was gibt ihm seinen Namen, der heute manifestiert, was er in Zukunft sein wird?

DISAPPEARING BERLIN lädt den interdisziplinären Künstler, Poet und Filmemacher Julianknxx zu einer ortsspezifischen Performance ein, um über die Neu-Erzählung von Geschichten und Orten nachzudenken. In seinen Gedichten, die er seit 2016 über die physischen und metaphysischen Aspekte des Atmens (engl. ‚Breathing‘) geschrieben hat, erzählt er von Erfahrungen von Gewalt und Fremdeinwirkung, die das Atmen als essentiellen Akt des Lebens bedrohen. In seiner Performance fließen individuelle, lokale Erlebnisse des Bürgerkriegs in Sierra Leone, wo er geboren ist, und des Lebens in der Diaspora in London, wo er aufwuchs, mit kollektiven, globalen Erfahrungen der Black Lives Matter Bewegung und des Lockdowns im Zuge der Corona-Pandemie zusammen. An einem Ort der menschengeschaffenen Gewalt – einem Tierversuchslabor in Berlin-Lichterfelde – stimmt Julianknxx eine globale Erzählung über das volle Potential des Zusammenlebens, über Verbundenheit und Teilhabe und das Leben Schwarzer Körper in der Diaspora an.

Der von Gerd und Magdalena Hänska als Forschungseinrichtung geplante ‚Mäusebunker‘ ist eines der markantesten Beispiele für den Baustil des Brutalismus, dessen Name sich vom Französischen beton brut (dt. ‚Sichtbeton‘) ableitet. Julianknxx’s Interesse an brutalistischen Bauten, wie dem Grenfell Tower (der 2017 ausbrannte) oder dem Trellick Tower in London, ist situiert in der Erfahrung der Entfremdung von Schwarzen Körpern von dem lebensstiftenden Potential der Erde in den Ländern, die sie ursprünglich verlassen hatten, um nach Großbritannien zu kommen. Aufgrund der primären Verwendung von Beton, einem „totem Material“ versteht er sie als konstruierte, „tote Räume“, welche einem gesunden Leben feindlich gegenüberstehen. Die Geschichte der brutalistischen Architektur in Großbritannien ist untrennbar mit dem Überlebenskampf von Einwandererfamilien verbunden, die in besagten Hochhausblöcken und Sozialwohnungsprojekten leben und welche die britische Regierung im Zuge der seit langem herrschenden Sparpolitik abgeschrieben hat.

Die Frage des Zusammenlebens, genauer gesagt der Kohabitation menschlicher wie nicht-menschlicher Spezies, beschäftigt auch den Architekten Arno Brandlhuber und den Galeristen Johann König. Nachdem sie in den 2010er Jahren bereits die brutalistische Kirche St. Agnes zur Galerie umbauten, setzen sie sich nun für eine denkmalgeschützte und nachhaltige Umnutzung des einzigartigen Baus im Sinne der Kohabitation ein. „Es wird Flächen geben, in denen keine*r gut arbeiten kann. Diese bleiben dann einfach ohne funktionelle Zuweisung, offen für Fuchs und Dachs. ‚Cohabitation‘ muss nicht so kompliziert gedacht werden: Wir müssen nicht immer 100 Prozent der Architektur benutzen und kontrollieren.“ (Arno Brandlhuber).

Im Anschluss an die Performance wird in Kooperation mit Johann König die Dokumentation „BATTLESHIP BERLIN – Preservation Can Be Brutal“ von Nathan Eddy gezeigt, in der der Regisseur neben eindrücklichen Aufnahmen des Gebäudeinneren die unterschiedlichen Stimmen zur aktuellen Debatte um die Nach- und Neunutzung des Mäusebunkers zu Wort kommen lässt.

Besetzung:
Writer und Performer: Julianknxx / Musikalische Leitung: Aron Kyne / Schlagzeug: Toby Couling / Chor: Berlin’s Most Finest: Brenda Marie Turner, Daniel Keeling. Dorrey Lyles, Marlin Monroe Williford, Monica Lewis, Raymond Thompson, Shon Abrams, Tayo Awosusi-Onutor (Berlin‘s Most Finest ist ein Kollektiv renommierter internationaler Künstler*innen und Sänger*innen, kuratiert von Andy Roda) / Kostüm: Harris Elliott Studio.

Die Veranstaltung wird unterstützt von Arno Brandlhuber und Johann König.

DISAPPEARING BERLIN ist eine Performance- und Musikreihe des Schinkel Pavillon e.V. und wird 2021 von der Kulturstiftung des Bundes gefördert.